Offener Brief an Joko und Klaas
Glückwunsch! Millionen Klicks und jede Menge Aufmerksamkeit sind Euch sicher. Es ist gut, richtig und wichtig, dass Ihr als Medienmacher Stellung bezieht. Ihr selbst gebt an, dass das der Beweggrund für Eure Videobotschaft war: Eure Fans zu erreichen. Menschen zu erreichen. Nur leider mit einer fatalen Botschaft.
Wie kommt Ihr darauf, dass Ihr mit Eurem Statement irgendetwas verbessert? Wenn es stimmt, dass jeder 5. Deutsche eine fremdenfeindliche Gesinnung hat, habt Ihr mit Eurer „Kampfansage“ diese Menschen öffentlich an den Pranger gestellt, sie auf unterstem Niveau beschimpft und ebenso niedergemacht, wie sie es selbst mit Flüchtlingen tun. Kann sein, dass sie das verdient haben. Aber wem bitte ist damit geholfen? Ihr spaltet die Gesellschaft noch mehr, als sie es eh schon ist.
Die Ursache für Rechtsextremismus und nationalsozialistisches Gedankengut ist überwiegend in zwei intrinsischen Motivationen zu suchen: Sicherheit und Kampf. Beide nähren sich aus dem Phänomen der Angst: Angst um die Sicherheit des persönlichen Lebens, Angst um die Sicherheit des Landes, Angst vor Veränderung, Angst vor feindlichen Angriffen, Angst vor dem vermeintlich Bösen. Angst, klein gemacht zu werden. Angst, selbst nicht gesehen zu werden. Diese Angst löst sich leider nicht dadurch auf, dass man ihren Träger als dumm und hohl bezeichnet. Wir haben es hier mit irrationalen Gefühlen zu tun.
Menschen mit einer rechtsextremen Gesinnung kämpfen bereits ihr Leben lang um Aufmerksamkeit. Sie sind es gewohnt, getreten und abgelehnt zu werden. Ihre Motivation ist eigentlich ein Schrei nach Liebe. Wenn wir sie aus unserer Gesellschaft ausschließen und niedermachen, gießen wir nur noch mehr Wasser auf ihre Mühlen.
Dieses Prinzip konnten wir in Heidenau beobachten: Nachdem Vize-Kanzler Gabriel von „Pack“ gesprochen hatte, standen die Fremdenhasser beim Besuch von Kanzlerin Merkel beisammen und schrien ihr entgegen: „Wir sind das Pack“. Jeder Außenseiter, der sich bereits sein Leben eben so behandelt fühlt, wird sich in diesen Randgruppen wohlfühlen, eine Heimat, Sicherheit und Beachtung finden. Und sei es eine negative.
Mit jeder öffentlichen Beleidigung, jeder öffentlichen Diskreditierung stärken wir rechtsradikale Gruppen. Wir stärken sie in ihrem Kampf. Ganz ehrlich, mir graut davor, bei den nächsten Bränden und Attacken auf Flüchtlingsheime Worte aus Eurem Video zu hören.
Die Antwort der Gesellschaft muss eine andere sein. Wir müssen zuhören. Ängste ernst nehmen. Auch diese Menschen integrieren, dem Fremdenhass mit Liebe begegnen. Auch wenn uns das nicht passt.
Mutig wäre ein Austausch mit den Menschen, die wir als Mob bezeichnen. Das würde ein Zeichen setzen.
Nur draufzuhauen? Verändert leider – nichts.
Mira Mühlenhof
Publizistin, Sozialpsychologin und Coach