Mira bei RADIO 21: Donald Trump
Ich bemühe für den Ausgang der US-Wahl gern die Regenschirm-Metapher: Wir verlassen morgens das Haus, haben eine intuitive Ahnung, dass es regnen wird, schieben diese Ahnung mit kühlem Kopf schnell beiseite, sind bequem – und lassen den Regenschirm stehen. Später am Tag schüttet es aus Kübeln. Und unser Kommentar lautet: „Ich hab´s doch geahnt.“
Was das mit Trump zu tun hat? Wir haben es geahnt: Das Undenkbare ist eingetreten, Donald Trump wurde zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. Und ist unser „Mensch der Woche“.
Scheitern am Persönlichkeits-Durcheinander
In zahlreichen Enneagramm-Foren (in den USA und in Europa) wird über die Frage diskutiert, welchem Enneagramm-Muster Trump zuzuordnen sei. Die Meinungen gehen stark auseinander: Viele halten ihn für eine unreife 3, andere für eine unreife 8. Ich muss nach Wochen der Analyse und Recherche sagen, dass er einfach nicht eindeutig zu klassifizieren ist – es gibt immer wieder Aspekte, die nicht passen (wollen).
Für die intrinsische Motivation Macht (Muster 8 im Enneagramm) spricht u.a.:
Seine immense Wut, die ungefiltert nach außen dringt. Seine wolllüstiges Verhalten gegenüber hübschen Frauen – und sein abschätzendes Verhalten Frauen gegenüber, die ihm nicht attraktiv erscheinen (Zitat seines Biografen: „Trumps Aufmerksamkeit kann man mit zwei Dingen gewinnen: mit der offenen Bluse einer gutaussehenden Frau – und Geld.“)
Dagegen spricht, dass Trump häufig lügt. Eine Eigenschaft, die für 8er ein rotes Tuch ist, sie stehen für Wahrheit und klare Kante.
Für die intrinsische Motivation Erfolg (Muster 3 im Enneagramm) spricht u.a.:
Seine Suche nach Anerkennung, sein Drang nach Öffentlichkeit (er durchforstet jeden Morgen die Zeitungen nach seinem Konterfei), sein Workaholic-Dasein, sein Prunk („mein Haus, mein Boot, mein Auto, meine Frau“).
Dagegen spricht, dass er jeglichen Charme vermissen lässt. Sieht man ihn neben Barack Obama, wie bei seinem Antrittsbesuch im Weissen Haus, ist wahrlich keine energetische Übereinstimmung zwischen den beiden Persönlichkeiten zu beobachten. Seine unflätige, ungehobelte Sprache und seine Angriffsenergie bekomme ich schwerlich mit der charmanten, werbenden Energie eines Menschen des 3er-Musters unter einen Hut.
Für mich passt daher eher ein anderes Muster: Die intrinsische Motivation Kampf.
Dafür spricht die Sehnsucht nach der Aufmerksamkeit des Vaters, die sich wie ein roter Faden durch Trumps Leben zieht. Sein zappeliges Verhalten, seine kaum vorhandene Fähigkeit, sich zu konzentrieren (sein Biograf attestiert ihm die Aufmerksamkeitsspanne eines 13-jährigen), lassen eine Tendenz zu ADHS vermuten – die Symptome stellen aus meiner Sicht nur eine deutliche Ausprägung der Motivation Kampf dar. So ließe sich auch seine Wut erklären und seine zwei Gesichter – Trump bemüht sich ja häufig auch darum, versöhnlich und sanft zu sein, wie z.B. direkt nach der Wahl, in seiner nächtlichen Antrittsrede.
Fazit: Trump ist alles – nur nicht berechenbar
Ein möglicher Grund, warum Trumps Persönlichkeitsstruktur so schwer zu klassifizieren ist, könnte in einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung liegen. Eine solche Störung kann jeder Mensch erleiden, unabhängig von seiner Charakter-Disposition. Diese These würde erklären, warum sich Persönlichkeitsexperten an ihm sprichwörtlich die Zähne ausbeißen. Und warum wir ein ungutes Bauchgefühl bei ihm hatten und haben. Etwas, was wir nicht greifen und beeinflussen können, macht uns Angst. Wie die Vorstellung, dass ein Mensch mit einer psychischen Störung Präsident der USA werden kann. Zu Recht.
Mehr über Donald Trump im Talk bei RADIO 21.
Wie funktioniert Key to see®?
Die Key to see®-Methode basiert auf einer Jahrtausende alten Typologie, übersetzt in die heutige Zeit und ergänzt mit tiefenpsychologischen Methoden. Um Persönlichkeitsaspekte von Personen des öffentlichen Lebens herausfiltern und daraus Anhaltspunkte für die Gründe ihres Handelns zu finden, durchforstet Mira Mühlenhof Biographien, Wikipedia-Einträge und Berichte im Internet, analysiert YouTube-Videos von öffentlichen Auftritten und liest Aspekte aus Facebook-Einträgen und Postings – auch von anderen Nutzern. „Es ist wie das Zusammensetzen eines großen Puzzles“, sagt Mira. „Wir erhalten wertvolle Erkenntnisse über die intrinsische Motivation unserer Mitmenschen und können ihr Verhalten besser nachvollziehen. Das Nachfühlen von Handlungsmotiven dient somit als Basis für mehr Verständnis und Empathie.“